Die "Chronik" von Fritz und Josef

Im September 95 emmigriert Fritz, berufsbedingt, halb freiwillig aus dem Frankenjura ins Chiemgau. Am ersten Wochenende seines hiesigen Daseins findet in Traunstein ein Kletterwettkampf statt. Auf der abendlichen Feier fragt er sich nach „begeisterten Routeneinbohrern“ durch und landet am Tisch von Josef. Sofort am nächsten Wochenende starten sie gemeinsam zur Loferer Alm und fangen neben Josefs schon fertigem Erstlingswerk „Made in USSR“ mit der „Versteckspiel“ an. Josefs alpine Erfahrung (man kann Stand z.B. auch an einer Latsche machen, nicht nur an einem einzementierten Bühler) beindruckt Fritz stark. Die, im Vergleich zur Fränkischen, doch beachtliche Wandhöhe bedingt ganztags einen leicht verkrampftem Kletterstil. 4 ganze Klettertage brauchen wir noch, bis die „Versteckspiel“ von oben fertig gebohrt und auch geklettert ist. Grobe psychische Leistungsausfälle sind bei Fritz noch lange Jahre, insbesonders bei großer Höhe oder nach wenig Schlaf festzustellen.

Von der Felsqualität in Lofer magisch angezogen, entstehen gleich im nächsten Jahr Schlag auf Schlag 3 neue Routen: „Bayrisch Creme“, „Vive la France“ und „Graues Buch“. Von einigen Paralellerschließern hart angegriffen wegen des moralisch bedenklichen Stils „von oben“ verlagern sie für ein ganzes Jahr ihre Aktivitäten von Lofer weg, zuerst mehr ins Tennengebirge. Jetzt wird endlich auch von unten (moralisch akzeptabel ?!) gebohrt. Dort gelingt mit der „Fun in the sun“ sicher die „plaisierste“ Route. Obwohl sie bewusst nicht veröffentlicht wird, um einen Massenandrang zu vermeiden, kommt es dort inzwischen regelmäßig zu Staus.

98 legte sich die Aufregung um Lofer vorübergehend und eine zweite Erschließungswelle begann.

Inzwischen hat Fritz meist auch seine Höhenangst im Griff und so entstehen vor allem an der Reiteralm längere Routen. Die letzte ist die „Wasersymphonie“ und wahrscheinlich auch eine der besten Kreationen.

Vergessen darf man nebenbei aber auch nicht die vielen Tage, die sie bei Affenhitze und vollem Bohrgepäck durch zeckenverseuchtes und brennesselüberzogenes Gelände gelaufen sind, um frustriert vor brüchigen, nassen und grasüberwucherten Felswänden zu kapitulieren (oft mehrere negative Eigenschaften in Kombination).

Was sie heute am Einbohren reizt ist, aus zuerst an sich „wertlosem Fels“ Routen zu kreieren, die von der Felsqualität her so schön und von der Absicherung her so gut sind, dass viele Leute in ihnen einen schönen Klettertag verbringen können (gelingt aber halt auch nicht immer). Es war natürlich nie ihr Ziel, Monumente der eigenen Kühnheit zu schaffen oder sich als wagemutige Kletterer darzustellen.

Die Anzahl der Wiederholer ist sicher ein Argument für die Berechtigung dieser Routen. Auf der anderen Seite ist beiden Erstbegehern selbstkritisch bewusst, dass relativ gut gesicherte Touren leider oft auch unerfahrene Leute anlocken und somit Unfälle, trotz der guten Absicherung, wieder vorkommen können.

Zuletzt noch für alle Skeptiker und Kritiker von Josef und Fritz: Leider sind auch für die Erstbegeher die schönen Wochenendtage eher spärlich gesät, so dass ihre Zeit nie ausreichen wird, die „ganze Reiteralm“ oder auch andere Gebiete „kaputtzubohren“ (Originalkritik) und so sicher für alle Kletterer, auch die „Alpinfreaks“, der Spielraum erhalten bleiben wird.